Das Schilfrohr (Phragmites australis), auch allgemein als Schilf bezeichnet, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Schilfrohre (Phragmites) innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae). Sie ist weltweit verbreitet und manche Autoren unterscheiden drei Unterarten, die alle auch in Europa vorkommen.[1]
Das Schilfrohr ist ein Rhizom-Geophyt und eine Sumpfpflanze. Die Nominatform, Phragmites australis subsp. australis, erreicht Wuchshöhen von maximal 4 Metern. In der Hauptwachstumsperiode des Schilfrohrs verlängern sich die Rhizome an der Spitze täglich um bis zu 3 Zentimeter. Die ältesten Rhizomteile sterben jeweils ab (Wurzelkriech- und Verlandungspionier).
Die Laubblätter sind in Blattscheide und Blattspreite gegliedert. Statt des Blatthäutchens (Ligula) ist ein Haarkranz vorhanden. Die Abflachung der zunächst wie die Blattscheide röhrigen Blattspreite erfolgt durch ein Gelenk.
Die Blütezeit reicht von Juli bis September. Das Schilfrohr ist ein Rispengras. Der rispige Blütenstand kann bis zu 50 Zentimeter lang werden. Phragmites australis ist windblütig vom „langstaubfädigen Typ“. Die Blütenährchen enthalten am Grunde männliche, darüber zwittrige Blüten.
Die Ährchenachse der Fruchtstände hat lange, abstehende Haare. Die winzigen Fruchtährchen verbreiten sich als Schirmchenflieger. Auch eine Schwimmausbreitung und eine Wasserhaftausbreitung ist möglich. Die Früchte sind frühestens im Dezember reif. Der Fruchtansatz ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich; er ist auch vom Standort abhängig. Die Früchte sind Lichtkeimer, die Keimungsrate liegt circa bei 80 Prozent. Die Keimfähigkeit bleibt ein bis vier Jahre erhalten.
Die Benetzbarkeit der Blattoberfläche ist gering. Wasser perlt in Tropfen ab, wie es auch bei Lotosblumen beobachtet werden kann, und nimmt dabei auf der Oberfläche anhaftende Schmutzpartikel mit (Lotuseffekt).[2]
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 48, aber auch 36, 72, 84 oder 96.[3]
Die vegetative Vermehrung erfolgt in starkem Maße durch die bis zu 20 Meter langen Ausläufer sowie durch niederliegende, sich an den Knoten bewurzelnde Halme (Legehalme). Ganze Schilfbestände stellen oft nur eine einzelne Pflanze dar. Im Donaudelta fanden Fachleute Pflanzen, deren Alter auf etwa 8000 Jahre geschätzt wurde. Große Schilfbestände bieten zahlreichen Vögeln Schutz. Bei Nährstoffüberschuss verdrängt das Schilfrohr jedoch die übrige Ufervegetation. Bei allzu starkem Nährstoffeintrag bricht die Population allerdings auch wieder zusammen und wird beispielsweise von Eutrophierungszeigern wie dem Großen Wasserschwaden (Glyceria maxima) ersetzt. Sollen Schilfbestände aktiv vermehrt werden, müssen im Sommer Halmstücke mit ein bis drei Knoten abgeschnitten und in wenige Zentimeter tiefe Rinnen im Uferbereich eingegraben werden. Nach einigen Wochen bewurzeln sich die Stängelknoten, und es bilden sich Tochtersprosse aus.
Schilf bildet an Seen und Gräben natürliche Monokulturbestände. Sind Wasserversorgung und Nährstoffangebot günstig, verdrängt er durch seine Dominanz andere Wildkräuter und Gräser. In den oft riesige Flächen bedeckenden natürlichen Monokulturen des Schilfrohrs regulieren sich tierische Schädlinge selbst: Die Raupen der Schilfeule (Nonagria typhae) klettern fressend in den Internodien nach oben und zerstören dann den Vegetationskegel an der Spitze. Wegen der damit verbundenen Ausdünnung des Bestandes werden in den Folgejahren zahlreiche dünne Halme gebildet, so dass die Schilfeulenpopulation an diesen Stellen zugrunde geht.
Das Schilfrohr spielt bei der Verlandung von Gewässern eine große Rolle. Zwischen den dichten Halmen sammelt sich mit der Zeit viel Schlamm an und führt langsam zur Verlandung.
Die Erstveröffentlichung erfolgte 1799 unter dem Namen (Basionym) Arundo australis durch Antonio José Cavanilles in Ann, Hist. Nat. 1, Seite 100. Die Neukombination zu Phragmites australis (Cav.) Trin. ex Steud. wurde 1840 durch Carl Bernhard von Trinius in Ernst Gottlieb von Steudel: Nomenclator Botanicus. Editio secunda, 1 Seite 143 veröffentlicht. Weitere Synonyme für Phragmites australis (Cav.) Trin. ex Steud. sind: Arundo phragmites L., Cenchrus frutescens L., Phragmites communis Trin.[1]
Manche Autoren unterscheiden folgende Unterarten:
Das Schilfrohr kommt häufig und beständig in der Röhrichtzone stehender und langsam fließender Gewässer bis zu einem Meter Wassertiefe vor, daneben auch in Quellmooren, auf Moorwiesen oder in Erlenbruch- und Weidenauenwäldern. Es liebt nicht zu kalte Schlick- und Schlammböden, die stickstoffhaltig und basenreich sein sollten und verhältnismäßig sauerstoffarm sein können. Reißende Hochwässer erträgt es nicht. Gemäß dem Ökologen Heinz Ellenberg ist die Art ein Wärmezeiger, ein Wechselwasserzeiger und eine Klassencharakterart der Röhrichte und Großseggen-Sümpfe (Phragmitetea australis). Es kommt aber auch in Pflanzengesellschaften der Klasse Scheuchzerio-Caricetea, der Ordnung Molinietalia und des Verbands Alnion vor.[3] Auf nicht überfluteten Standorten zeigt das Schilfrohr bewegtes Grundwasser an. Als Tiefwurzler ist es aus vernässten Äckern schwer zu vertreiben. Jedoch sterben verletzte Schilfrhizome bei langanhaltender Überflutung ab, wenn Wasser in das Durchlüftungsgewebe eindringt. Ähnlich verhindert ein hoch anstehendes Grundwasser ein Tiefenwachstum der Rhizome.
In den Allgäuer Alpen in Bayern steigt Schilfrohr zwischen Rohrmoos und der neuen Piesenalpe bis in Höhenlagen von 1260 Metern auf.[5]
Im Wurzelstock von Phragmites australis konnten die psychoaktiven Entheogene Dimethyltryptamin (DMT)[6] und Bufotenin nachgewiesen werden.
Die jungen Sprossen werden in einigen Gebieten als Gemüse verwendet, wobei der typische Schilfgeschmack dieser Süßgrasart allerdings gewöhnungsbedürftig ist, auch Mehl zum Brotbacken kann man aus den getrockneten Wurzeln herstellen.
In der Antike war das aus einem Schilfstängel geschnittene Schreibrohr jahrhundertelang das wichtigste Schreibgerät. Etwa um das 6. Jh. wurde es in Europa von der Schreibfeder (aus einer Vogelfeder) verdrängt. Im islamischen Kulturkreis ist es bis heute für Kalligrafie in Gebrauch.
Dünne Matten aus Schilfrohr dienen zur Beschattung von Gewächshäusern, dickere als Wärmedämmung oder Windschutz. Die Art wird auch zur dekorativen Gestaltung von Uferpartien als Zierpflanze und zur Landgewinnung (z. B. im IJsselmeer) eingesetzt. Im Burgenland werden zur Herstellung des traditionellen Schilfweins Weintrauben auf Schilfmatten gelagert.
Die Herstellung der Matten erfolgte lange Jahrhunderte durch Weben. Die als Rohrweberei bezeichneten Manufakturen verwendeten ursprünglich das auf zugefrorenen Seen im Winter geschnittene Schilfrohr. Es wurde ein Jahr lang im Freien getrocknet, danach weitere Monate trocken und luftig gelagert und konnte erst danach zu dünnen Matten verwoben, meist von Hand geknotet, werden. Maschinell hergestellte Schilfmatten aus dem Baumarkt haben nur eine geringe Haltbarkeit von rund zwei Jahren, die handgefertigten dagegen halten mehrere Jahre. In der Zwischenzeit wird Miscanthus-Schilfrohr für Matten auf Feuchtflächen angebaut und mit Balkenmähern geerntet. Im Brandenburgischen Pritzerbe gibt es im Jahr 2020 die einzige verbliebene Schilfrohrweberei in Deutschland.[7]
Schilfrohr spielt vor allem eine Rolle als Naturbaustoff. Es dient in Form von Reet als Dachdeckmaterial und in Form von mehrschichtigen Schilfrohrplatten (20 und 50 mm, mit verzinktem Draht gebunden) oder einfachem Schilfrohr als Putzträger (Rabitzgeflecht) als Baumaterial im Lehmbau. Das Schilf nimmt keine Feuchtigkeit auf und verrottet daher nur langsam, es ist stabil und aufgrund seiner griffigen Oberflächenstruktur ein ausgezeichneter Putzgrund. Aufgrund seines Gehalts an Kieselsäure ist Schilf überdies brandhemmend. Weitere Bauelemente sind Dämmstoffe für die Außen- und Innendämmung, Schilfrohrgewebe oder Trennwände für den ökologischen Trockenbau.
Theoretisch ist auch eine energetische Nutzung von Schilfrohr beispielsweise für die Gewinnung von Biogas oder als lignocellulosereicher Rohstoff für die Herstellung von Cellulose-Ethanol möglich. Studien zeigten praktische Ausführung auf.[8][9]
Pflanzenkläranlagen
Schilf ist sehr gut für die Bepflanzung einer Pflanzenkläranlage geeignet. Es wirkt durch die große Blattoberfläche und durch die Sauerstoffabgabe hohler, luftführender Stängelteile (Aerenchyme) unter Wasser gewässerreinigend (Sauerstoffeintrag: 5–12 g Sauerstoff pro m²/Tag). Der Sauerstoffeintrag fördert den mikrobiellen Abbau organischer Substanz durch aerophile Bakterien, die in großer Menge an den Wurzelhaaren des Schilfes siedeln.
Bodenfilter
Auch Retentionsbodenfilter werden häufig mit Schilf bepflanzt, um eine Leistungssteigerung zu erzielen. Der Schilfbewuchs soll durch sein permanentes Rhizomwachstum das Substrat lockern und so das Kolmationsrisiko senken. Eine intensive Durchwurzelung erhöht die Reinigungsleistung des Filters, da Sauerstoffeintrag und Wurzelexsudate eine Stimulation des mikrobiellen Schadstoffabbaus in der Rhizosphäre bewirken, gleichzeitig werden Nähr- (und z. T. Schadstoffe) der Bodenlösung entzogen.
Eine etablierte Schilffläche transpiriert 800–1000 l Wasser pro m² und Vegetationsperiode, wodurch sich die Sickerwasserbildung im Bodenfilter entsprechend reduziert. Dies begünstigt die Sorption und – durch die längere Kontaktzeit – auch Wurzelaufnahme und biologischen Abbau.
Die geschlossene Vegetationsdecke verbessert durch Beschattung und Isolation das bodennahe Mikroklima. Unter abgestorbenem Schilf finden Bakterien auch im Winter noch Temperaturen um +5 °C vor.
Schilfhalme wie auch kontinuierliche Streuzufuhr weitmaschiger Vegetationsreste bilden auf Bodenfiltern einen oberirdischen Raumfilter. Seine Sedimentationsoberflächen ergänzen die eigentliche Substratfiltration und schützen den Filter zusätzlich vor äußerer Kolmation.
Ein wesentlicher Nachteil des Einsatzes von Schilf in Bodenfiltern ist, dass Bodenfilter aufgrund der periodischen Zufuhr und kurzen Verweilzeiten des Wassers nicht zu den idealen Besiedlungsräumen des Schilfgrases gehören. Hohe Ausfälle beim Bewuchs auf den zeitweise trockenen Bodenfiltern sind die Folge. Dadurch ist eine optimale Reinigungs- und Filterwirkung in Bezug auf das zugeführte Abwasser durch die geschwächte Schilfvegetation nicht gewährleistet. Daneben ist Schilf empfindlich gegen mechanische Belastung, insbesondere gegen Knickbeanspruchung (Niederlegen des Bestands im Hauptströmungsbereich).
Schilf wird bei der Eingriffs-Kompensation nach § 8a Bundesnaturschutzgesetz von Naturschutzstellen positiv beurteilt. Im Gegensatz zu konventionellen Lösungen wurden schilfbepflanzte Filter selbst in Natur- und Landschaftsschutzgebieten zugelassen. Daneben können schilfbepflanzte Bodenfilter in Kombination mit Grünflächen und Grünpflastern zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen für Neubaugebiete vermeiden helfen, was bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zunehmend Bedeutung erlangt.
Klärschlammvererdung
Schilf wird in Kläranlagen zur Nachbehandlung des Klärschlamms eingesetzt. Klärschlamm fällt in Kläranlagen als Abfallprodukt des Reinigungsprozesses an und muss entsorgt werden. Da er ganz überwiegend aus Wasser besteht (bis zu 98 Prozent), wird Klärschlamm entwässert, um die zu entsorgende Menge zu reduzieren. Neben mechanischen Verfahren hat sich dafür die Klärschlammvererdung mittels Schilfbeeten etabliert.
Dazu wird der Klärschlamm in großflächige Schilfbeete geleitet. Über die große Blattoberfläche verdunstet das Wasser und der Schlamm wird entwässert. Gleichzeitig bauen im Wurzelraum des Schilfs lebende Mikroorganismen den Schlamm biologisch um und es entsteht humushaltige Klärschlammerde. Der Entwässerungs- und Vererdungsprozess läuft kontinuierlich über 6 bis 12 Jahre, in denen sich das Vererdungsbeet nach und nach füllt. Danach wird die Klärschlammerde ausgebaggert und kann entweder thermisch entsorgt oder als Dünger in der Landwirtschaft verwertet werden.[10]
Das Schilfrohr (Phragmites australis), auch allgemein als Schilf bezeichnet, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Schilfrohre (Phragmites) innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae). Sie ist weltweit verbreitet und manche Autoren unterscheiden drei Unterarten, die alle auch in Europa vorkommen.